„Nicht Kneipe, nicht Restaurant, eher beides“

Stuhlmacher seit 125 Jahren – Familienbetrieb in vierter Generation – Stolzer Rathaus-Nachbar

Münster – Stuhlmacher, das weitbekannte Gasthaus neben dem Rathaus, gibt es 2015 seit 125 Jahren. Das 1890 am Prinzipalmarkt in Münster gegründete Unternehmen ist ununterbrochen familiengeführt, inzwischen in der dritten und vierten Generation der Familie Feldhaus.

Beim Bürgerfest am 15. Mai 2015 gab es für jedes Stuhlmacher-Jahr zehn Liter Freibier. Die 1.250 Liter wurden beim Bürgerfest auf dem Prinzipalmarkt ausgeschenkt, als Münster die Verleihung des EU-Kulturerbe-Siegels für das Rathaus als Ort des Westfälischen Friedens von 1648 feierte. „Wir sind stolz, seit 125 Jahren Nachbar des Rathauses von Münster zu sein. Wir dienen unseren Gästen und sehen uns als Teil der bürger- und gastfreundlichen Stadt“, sagt Franz Feldhaus jun.

Sein Vater erinnert sich, dass Stuhlmacher zu früheren Jubiläen traditionsgemäß das Ratssilber mit Tellern und Leuchtern bereichert hat. „Diesmal haben wir den Münsteranern und den Gästen der Stadt direkt ein Geschenk gemacht mit tätiger Nachbarschaftshilfe von Oberbürgermeister Markus Lewe als Aushilfskellner“, sagt Franz Feldhaus sen.

Der 65-Jährige führt das Gasthaus Stuhlmacher gemeinsam mit seinem 29 Jahre alten Sohn Franz jun. Der Betriebswirt ist nach Ausbildungsstationen in so renommierten Häusern wie Louis C. Jacob in Hamburg oder dem New Yorker Plaza Athenee vor einem Jahr nach Münster in die Stuhlmacher-Geschäftsführung zurückgekommen.

Noch vor seinem Abitur am münsterschen Annette-Gymnasium und nach ersten Erfahrungen am Getränkebuffet im „Stuhls“ war ihm klar, dass die Gastronomie sein Ding ist. Jetzt setzt er die Familientradition in mittlerweile vierter Generation fort. Sein gleichnamiger Großvater Franz Feldhaus, der 2011 im Alter von 91 Jahren starb, hat dazu noch hocherfreut seinen Segen gegeben. Tradition wird bei Stuhlmacher und der Inhaberfamilie Feldhaus eben nicht nur im Vornamen bewahrt.

Sie reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Stuhlmacher gehört zu den ältesten Gasthäusern Münsters. Die Geschichte begann mit Louis Stuhlmacher. Er kaufte 1890 vom Gastwirt Gunnemann für 105.000 Goldmark das 1470 erbaute Haus. Dass er ein Haus erworben hatte, das in den nächsten 125 Jahren zu einer Institution wurde konnte damals niemand ahnen. Der Prinzipalmarkt in Münster, mit dem historischen Rathaus und exklusiven Geschäften unter den Arkaden, ist beliebter Treffpunkt der Münsteraner und vieler Gäste. Und „Stuhls“ mittendrin – ein Haus, ein Name, eine Familie seit nun 125 Jahren.

Louis Stuhlmacher verstarb im Jahr 1912. Seine Witwe Anna Stuhlmacher leitete das Gasthaus in Münster zwei Jahre lang allein, bis sie 1914 den Gastronomen Julius Feldhaus heiratete. Da die Ehe kinderlos blieb, adoptierte das Paar im Jahre 1929 Annas Neffen Franz Schulte, der künftig Feldhaus hieß. 1935 erwarb Julius Feldhaus noch die zweite Haushälfte und erweiterte die Gastwirtschaft.

Wiederaufbau sofort nach dem Krieg

1944 wurde alles bei einem Luftangriff zerstört. Nur ein Jahr nach dem Verlust ihres Lebenswerkes starben Julius und Anna Feldhaus. Ihr Adoptivsohn Franz Feldhaus hatte da schon mit dem Wiederaufbau nach dem Krieg begonnen. Zusammen mit seiner Frau Margret zapfte er am 5. Oktober 1948 bei „Stuhls“ wieder Bier. So feiert Stuhlmacher 2015 ein Doppeljubiläum: 70 Jahre seit dem Wiederaufbau nach Kriegsende 1945 und 125 Jahre seit der Gründung im Jahr 1890.

1965 wurde das 75-jährige Bestehen gefeiert. Zum 100. Geburtstag im Jahr 1990, als Deutschland nach dem Fall der Berliner Mauer wiedervereinigt wurde, gab es einen Festakt im Rathaus und ein Volksfest auf dem Prinzipalmarkt. Mehrere Bundesminister, Präsidenten und andere hohe Häupter feierten mit. „War das ein Fest!“, hieß die Überschrift auf dem Titel einer 32-seitigen Stuhlmacher-Jubiläumszeitung.

Einen Rückschlag hatte Stuhlmacher fünf Jahre zuvor hinnehmen müssen. Ein Brand in den oberen Räumen zerstörte 1985 Prinzen-, Jagd-, Wiedertäufer- und Lambertuszimmer. Zum Glück im Unglück war der lange Schankraum im Erdgeschoss für die vielen Gäste weiter geöffnet. Die ausgebrannten Räume mit wertvollen alten Münster-Bildern wurden nach den alten Vorlagen restauriert und 1986 wieder in Betrieb genommen.

Stuhlmacher passt in kein Klischee. Stuhlmacher ist Stuhlmacher, seit einem und einem Viertel Jahrhundert ein Kult der Begegnung, der Bürger, der gepflegten Biere und der gastronomischen Bonität. „Nicht Kneipe, nicht Restaurant. Eher beides, frei und vornehm“, schreibt die Frankfurter Allgemeine schon 1990 über Stuhlmacher. FAZ-Titelzeile: „Wo der Zapfhahn Kulturgut ist, da ist Stuhlmacher“. 25 Jahre später zitiert das Blatt, hinter dem bekanntlich immer ein kluger Kopf steckt, Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe mit den Worten: „So ein bodenständiges, seit vielen Generationen von einer Familie geführtes Gasthaus gibt es nur noch selten mitten in einer deutschen Stadt.“ Der Wiederaufbauwille von Franz Feldhaus senior stehe exemplarisch für den Geist Münsters. Stets habe sich die Stadt aus ihrer bürgerlichen Mitte heraus entwickelt, habe der Ideologie der kompromisslosen Kommerzialisierung getrotzt.

Neues und doch ziemliches altes Wandbild im Lambertuszimmer

2014 rüstete sich Stuhlmacher zum 125. Jubiläum. Nach viereinhalb Monaten Bauzeit in dem Giebelhaus waren die Gasträume renoviert. Im Lambertuszimmer ist ein neues und doch ziemlich altes Wandbild entstanden. Die „Lambertusfeier“ stammt von dem münsterschen Maler Bernhard Bröker, der 1919 zu den Gründungsmitgliedern der Künstlergemeinschaft Schanze zählte. Bis zum zweiten Weltkrieg hing das auf Holz gemalte Bild schon einmal im Lambertuszimmer. Es konnte aber vor den Bombenangriffen im Jahr 1943 auf Münster nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden und wurde in jenem Feuersturm zerstört, der den Prinzipalmarkt dem Erdboden gleich machte.

Wenigstens gab es bei Stuhlmacher noch eine farbige Postkarte mit der Abbildung der „Lambertusfeier“ aus den 1930er Jahren. Für ein Künstlerehepaar aus Berlin reichten diese Vorlagen, um das einst in Bomben und Flammen untergegangene Bild zu rekonstruieren. Nun ist das alte Gemälde in neuen Farben an der Wand im Lambertuszimmer zu sehen – vier mal acht Meter groß. Eine Premiere war das insofern nicht, als Stuhlmacher im Lauf seiner 125-jährigen Geschichte an Künstler und Kunsthandwerker schon viele Aufträge vergaben hat.